Deutschland kommt mit seiner Impfquote weiter nur mühsam voran: Während Nachbarländer wie Dänemark und die Niederlande wegen ihrer hohen Impfquoten alle Corona-Beschränkungen aufheben, stagniert in Deutschland die Zahl der vollständig Geimpften bei um die 62 Prozent. Das reicht weder für eine Herdenimmunität, noch für einen sicheren Herbst, Bund und Länder starteten deshalb am Montag noch einmal eine bundesweit Impfwoche. Das Ziel: Zögernde, Unentschlossene und Menschen, die jetzt erst geimpft werden können, wie Schwangere und Kinder – die Impfung für Schwangere wird nun auch von der Stiko empfohlen.

Die Zahl der täglichen Corona-Impfungen sinkt weiter. - Foto: gik
Die Zahl der täglichen Corona-Impfungen sinkt weiter. – Foto: gik

Mehr als fünf Millionen Impfungen verkündete Rheinland-Pfalz vergangene Woche stolz, doch auch die beeindruckende Zahl kann nicht über das gegenwärtige Problem hinwegtäuschen: Die Impfkampagne stagniert, und die notwendige Herdenimmunität ist noch bei Weitem nicht in Reichweite. Mehr als 80 Prozent der Bevölkerung müssten laut Robert-Koch-Institut geimpft sein, um dem Coronavirus eine sichere Immunität entgegen setzen und die Corona-Beschränkungsmaßnahmen abbauen zu können – Stand 13. September 2021 sind in Deutschland aber nur 62,2 Prozent der Gesamtbevölkerung vollständig geimpft – Rheinland-Pfalz liegt mit ebenfalls 62,2 Prozent vollständig Geimpften genau im Durchschnitt.

Seit dem Ende der Sommerferien steigt die Zahl der Neuinfektionen mit dem Coronavirus wieder deutlich an, die Infizierten sind zu 90 Prozent Ungeimpfte. „Impfen bleibt der Weg aus dieser Pandemie, die leider noch nicht vorbei ist“, betonte denn auch der rheinland-pfälzische Gesundheitsminister Clemens Hoch (SPD) vergangene Woche, und appellierte erneut: „Ich kann nur an alle appellieren: Lassen Sie sich impfen – da ist noch Luft nach oben.“

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Impfung in der Pizzeria in Mainz-Drais: Notfallsanitäter Andreas Datz wartet auf Interessierte. - Foto: gik
Impfung in der Pizzeria in Mainz-Drais: Notfallsanitäter Andreas Datz wartet auf Interessierte. – Foto: gik

Tatsächlich schauen die Deutschen in diesen Tagen neidisch auf Nachbarländer wie Dänemark und die Niederlande, die gerade sämtliche Corona-Einschränkungen schlicht über Bord warfen – sogar Abstandsregeln und Maskenpflichten. Speziell in Dänemark wurde das durch die hohe Impfquote von fast 74 Prozent vollständig geimpfter erreicht, das Land steigerte gerade in den vergangenen vier Wochen seien Quote noch einmal um zehn Prozentpunkte. Experten in Dänemark führen das auf die gute Kommunikation der dortigen Behörden sowie auf ein hohes Vertrauen in den Staat zurück.

In Rheinland-Pfalz geht das Gesundheitsministerium aktuell von rund 900.000 Ungeimpften aus, wie eine Sprecherin auf Mainz&-Anfrage mitteilte. Diese Zahl beinhalte alle ungeimpften Personen ab 12 Jahren, dazu auch Genesene und Menschen, die nicht geimpft werden können, weil für sie keine Impfempfehlung vorliegt – etwa Schwerkranke oder Menschen mit geschädigtem Immunsystem. „Die Impfnachfrage hat leider etwas nachgelassen“, räumte Impfkoordinator Daniel Stich am Montag in Mainz ein, „es gibt noch Menschen, die hatten Probleme, sich zu informieren, oder logistische Probleme, zum Impfen zu kommen – die Hintergründe sind vielfältig.“

Rheinland-Pfalz setzt auf seine Impfbusse, hier mit Gesundheitsminister Clemens Hoch (SPD). - Foto: gik
Rheinland-Pfalz setzt auf seine Impfbusse, hier mit Gesundheitsminister Clemens Hoch (SPD). – Foto: gik

Mit einer bundesweiten Impfwoche und zahlreichen Sonderimpfaktionen „wollen wir das in einer gemeinsamen Kraftanstrengung noch einmal puschen“, sagte Stich nun. Am Montag startete deshalb in Mainz-Drais eine von mehreren Impfaktionen in den Stadtteilen: Geimpft wurde im „Lerchennest“, dem Anbau einer Pizzeria, zwischen Pokalen und Klavier, schon zum Start am Mittag sind die ersten vier Interessierten da. „Da sind wirklich unentschiedene Nachzügler“, weiß Notfallsanitäter Andreas Datz, der mit Impfstoff und Spritze auf Impfwillige wartet, „aber auch 12- bis 17-Jährige– und die ersten Drittimpfungen. Die kommen, weil es hier im Stadtteil ist.“

„Die Tatsache, dass man Menschen aufsucht und in ihrem Alltag abgreift, die hilft“, betonte Stich, solche Stadtteilimpfungen werde es diese Woche in ganz Rheinland-Pfalz geben. das Land setzt dabei vor allem auch auf die sechs Impfbusse, die pro Woche rund 200 Termine absolvieren. Seit Sonntag gilt zudem die neue Corona-Verordnung in Rheinland-Pfalz, die das öffentliche Leben für Ungeimpfte deutlich einschränkt. „Wer sich nicht impft, geht ein hohes Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf ein“, betonte Stich, „Impfen ist die Methode, gut durch Herbst und Winter zu kommen.“ Impfstoff ist mittlerweile mehr als genug da, das Land musste im Sommer sogar rund 25.000 Dosen Impfstoff entsorgen, die abgelaufen waren – eine einmalige Aktion, betonte Stich.

Gaben den Startschuss für die Impfwoche: Impfkoordinator Daniel Stich (links) und Sozialdezernent Eckart Lensch (SPD). - Foto: gik
Gaben den Startschuss für die Impfwoche: Impfkoordinator Daniel Stich (links) und Sozialdezernent Eckart Lensch (SPD). – Foto: gik

„Wir beobachten, dass einzelne Interessierte jetzt öfters längere Aufklärungsgespräche in Anspruch nehmen“, sagte der Mainzer Sozialdezernent Eckart Lensch (SPD), das seien Menschen, „die jetzt erst nach längerem Nachdenken ihre Ängste überwunden haben.“  Viele Fragen hätten diese Menschen, „man braucht jetzt das Gespräch“, betonte Lensch, und das müsse von vorgebildeten Experten geführt werden.

Tatsächlich sind in Mainz erst rund 59 Prozent der Menschen vollständig geimpft, bei den Impfaktionen jetzt kämen die mit den skeptischeren Fragen, bestätigt auch Impfärztin Karin Pfirrmann-Frees: „Gerade die, die jetzt hierher kommen, sind die, die noch zögerlich waren.“ Viele seien von der Impfung nicht wirklich überzeugt oder sähen das Krankheitsrisiko nicht so für sich selbst, doch man müsse ja auch bedenken, dass es auch die Fälle mit schweren Corona-Langzeitfolgen gebe, betont sie – Experten warnen seit Langem vor Long Covid, einer Folgeerkrankung von Covid-19 mit schweren Auswirkungen noch Monate nach der Infektion.

„Es wäre so hilfreich, die Inzidenz von Geimpften und Nicht-Geimpften getrennt auszuweisen“, betonte zudem Impfarzt Ulrich Wahlmann – das Nachbarland Hessen tut genau das seit Anfang September: Dort stand dann einer Inzidenz von 12,7 pro 100.000 Einwohnern bei den Geimpften einer Sieben-Tage-Inzidenz von 262,3 der Ungeimpften entgegen. „Dann würde jeder jeden Morgen sehen können, wie wichtig die Impfung ist“, betonte Wahlmann: „Das motiviert die Menschen und zeigt ganz klar, was die Impfung bringt.“

Corona-Infektionsquote der Geimpften und Ungeimpften vergangene Woche in Hessen. - Grafik: Hessen
Corona-Infektionsquote der Geimpften und Ungeimpften vergangene Woche in Hessen. – Grafik: Hessen

Die Hoffnung der Experten ruht aber auch noch auf zwei anderen Gruppen: Erst seit Mitte August empfiehlt die Ständige Impfkommission (Stiko) generell die Impfung von Kindern und Jugendlichen ab 12 Jahren, inzwischen sind nach Angaben des Landes rund 30 Prozent dieser Altersgruppe bereits vollständig geimpft – doch auch da ist nach Luft nach oben. Ende vergangener Woche empfahl die Stiko dann nach erneutem langen Zögern auch die Impfung für Schwangere, die in anderen Ländern schon längere Zeit selbstverständlich geimpft werden. In diesen beiden Gruppen gibt es also noch Potenzial.

„Die Aufmerksamkeit ist jetzt das A und O“, betonte Stich, deshalb wolle das Land nun noch einmal verstärkt auf seinen Social Media-Kanälen werben. Im Oktober seien zudem  Impfaktionen an den Berufsbildungszentren geplant, sagte Stich weiter. „Wir sind auf der Zielgeraden“, betonte der Impfkoordinator, „aber jeder Prozentpunkt mehr braucht jetzt eine Menge Energie.“

Und auch die dritten Booster-Impfungen stehen allmählich an: „Wir überlegen, die über 80-Jährigen deswegen anzuschreiben“, sagte Stich – bislang werden die Senioren nicht eigens auf die Möglichkeit einer dritten Booster-Impfung hingewiesen. Die Bundesregierung hatte Anfang August gemeinsam mit den Gesundheitsministern der Länder die Booster-Impfungen für Hochbetagte über 80 Jahre sowie Menschen in Pflegeheimen beschlossen, seit dem 1. September sind sie möglich – sinnvoll sind sie für Personen, bei denen die zweite Impfung mindestens sechs Monate zurück liegt und die Wirkung der ersten Impfrunde deshalb nachlässt. Kümmern müssen sich die Menschen darum aber selbst, die Drittimpfungen sollen vor allem bei Ärzten stattfinden, dort sei auch Zeit für ein ausführliches Gespräch, sagte Stich.

Info& auf Mainz&: Aktuelle Impftermine und Impfaktionen in Mainz findet Ihr hier auf der Homepage der Stadt Mainz. Was es mit der Impfbustour des Landes auf sich hat, haben wir hier bei Mainz& berichtet. Alle Termine der Impfbusse samt den genauen Stationen findet Ihr hier im Internet. Mehr zu den Auffrischungsimpfungen könnt Ihr hier bei Mainz& nachlesen. Wer sich noch einmal informieren möchte, wie die Corona-Impfungen mit dem mRNA-Impfstoff von Biontech wirkt – wir empfehlen dazu den Impfcomic der Mainzer Universitätsmedizin, mehr dazu lest Ihr hier bei Mainz&.

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